Sport-Express (2014-3)

4 Punkte aus den ersten drei Spielen, das wünscht sich doch jeder Aufsteiger - und für Nachodka ist es Wirklichkeit geworden. "Der Sieg zum Auftakt war wichtig, die Niederlage gegen Spartak sowie der nur einfache Punktgewinn gegen Ufa hätten vermieden werden können. Letztlich wirft uns das aber nicht in unserer Euphorie zurück, unser Ziel ist ein Mittelfeldplatz, mit dem Abstieg wollen wir nichts zu tun bekommen", wird Trainer Wämser zitiert.

Und in der Tat scheint es, als würde das Leben in Nachodka weitergehen. Die Schornsteine rauchen, der Fisch wird verarbeitet, und das 4.500 Zuschauer fassende Wodnik-Stadion war bisher immer knapp unter ausverkauft - dieser Club ist tatsächlich eine Bereicherung für die Premjer Liga, ähnlich wie es Eddie the Eagle im Skisprung war. Tatsächlich soll der Trikot-Verkauf in den umliegenden asiatischen Ländern sprunghaft angestiegen sein, in China plant man wohl auch schon ein Plagiat den originalen Nachbau der Stadt, mit Schnellzuganschluss zum bereits kopierten nachgebauten österreichischen Dorf (SPON berichtete). Was dann wohl erst los sein wird, wenn man Überraschungsmeister wird? *Hust* *Röchel* *Stöhn* (Nach Redaktionsschluss verschwunden)

Nach den vielen Trainingswochen, in denen die Mannschaft toll mitzog und den souverän gewonnenen Testspielen, konnte ich so einen Saisonauftakt nicht nachvollziehen: 0:3 in Krasnodar! Es schien so, als ob meine Spieler alles vergessen hätten, was wir im Training erarbeitet hatten. Kein Pressing, kein Kurzpassspiel und keine Laufleistung. Krasnodar hatte leichtes Spiel mit uns ...

Vor dem Heimspiel gegen Terek Grosny wurden nochmals die Inhalte der Trainingswochen intensiv wiederholt. Und es hat etwas genützt, denn zumindest nach vorne war unser Spiel heute schön anzusehen, was auch die drei herrlich herausgespielten Tore bezeugten. Hinten waren wir zwar etwas zu sorglos, doch trotz der zwei Tore von Terek Grosny hatte ich niemals das Gefühl, dass wir dieses Spiel noch verlieren könnten.

Gegen Nachodka zeigte sich ein ähnliches Bild wie am Spieltag zuvor: Vorne Hui, hinten pfui! Am anderen Ende Russlands reichte es trotz drei geschossenen Toren nur zu einem Remis. Der Hintermannschaft steckte wohl noch der lange Anreiseweg in den Knochen, aber trotzdem müssen wir in der nächsten Trainingswoche mal ein bisschen am Abwehrverhalten arbeiten ... zumal wir nun gegen den Ersten, den Zweiten UND den Dritten antreten müssen!!!

Auf geht es in eine neue Saison in Russland und in der Pause hat sich gegenüber der letzten Saison doch einiges getan. Sollte die Liga noch deutlich verkleinert werden, hat sich die Ligaleitung doch entschieden, mit 16 Teams in die Saison zu starten. Der Grund dafür, es konnte sagenhafte 9 neue Trainer vorgestellt werden und darunter sind auch einige, die bei torrausch nicht ganz unbekannt sind. Kann man nun sagen, dass die russische Liga wieder zu Leben erwacht ist? Die ersten Runden werden es sicherlich zeigen, wie viele Trainer sich am Ende in Russland halten werden.
Was gibt es sonst noch? Die Ligaleitung scheint  mal wieder ordentlich Spionage betrieben zu haben. Oder woher kennt man die Ziele von Da_Masta, obwohl diese noch nicht öffentlich gemacht wurden?
Kurz darauf angesprochen,  bestätigte Da_Masta die Ziele. "Ja, ich konzentriere mich ausschließlich auf Europa, vielleicht wird so ein europäisches Spitzenteam auf mich aufmerksam", so Da_Masta. Na dann braucht man zum Saisonstart ja nicht viel erwarten.

Es war ein typisch nass-windiger Sommer am Japanischen Meer, an dessen Küste mit Nachodka eine der östlichsten Großstädte Russlands liegt. Seit der Gebietsreform von 2004 trotzen hier 160.000 Einwohner jährlich den trockenen, kalten Wintern und den spätsommerlichen Taifunen.

Dementsprechend bat sich Wämser auch zunächst Bedenkzeit aus, als ihn die Offerte aus dem Russland des Torrausch-Paralleluniversums .net erreichte. Doch schließlich obsiegte die Neugier und das alte Kribbeln, und da die Karriere in Dundee (.com) ein jähes Ende nahm, packte der "Duke of Dundee" nach einem nass-kalten Sommer in Deutschland kurzerhand seine Koffer um die Oligarchenclubs in Mother Russia Mores zu lehren - oder es zumindest zu versuchen.

"Wir sind eben der kleine Pissverein, wir werden uns jeden Erfolg hart erarbeiten müssen", so Wämser kürzlich in der Prawda. "Bei uns werden die Unparteiischen nicht zu Schnittchen, Prosecco und Bunga Bunga Parties eingeladen, hier kommt in der Fabrikkantine ein deftiges Walsteak mit Gurke, Weißbrot und Wodka auf den Tisch." Zumindest mit der kulinarischen Arbeiterkultur scheint der Mitteleuropäer schon recht vertraut.

"Zu den Auswärtsspielen kommt man dann auch mal ein paar tausend Kilometer raus", weiß der neue Genosse Übungsleiter des Aufsteigers zu berichten.  Wahrscheinlich meint er raus aus diesem Moloch, in dem es nach Blut, Schweiß, Tränen und vor allem nach Fisch riecht. Das soll nicht despektierlich klingen, schließlich sind schon jede Menge andere (Ex-)Stars in Russland gestrand.. also reich, äh, natürlich glücklich geworden. Na dann: Auf die Gesundheit - na sdorowje!

Vom Präsidenten wurde ich freundlich begrüsst und gleich zum Stadion gefahren. Hübsch, aber etwas klein die Anlage.
Die Mannschaft war schon am Trainieren und das was ich sah, machte mich schon sehr zuversichtlich für die neue Saison. Ich wurde kurz vorgestellt und die Dolmetscherin Ekaterina übersetzte daraufhin meine kurzen Begrüssungsworte für die Spieler und die anwesenden Reporter.

Kurze Zeit später befand ich mich dann  im Hotelzimmer, das für die ersten Wochen meine Heimat sein sollte. Ich hüpfte auf das Bett und tagträumte mich durch die bevorstehende Saison ...

Die Jobangebote, die mir meine Berater präsentierte, waren nicht berauschend: Szigetszentmiklos aus der zweiten Liga Ungarns, Gaziosmanpasaspor aus der dritten Liga der Türkei und FK Kozuv Gevgelija aus der zweiten Liga Mazedoniens. "Hast du nicht ein paar Vereine, deren Namen ich wenigstens aussprechen kann?" "Mhm, wie wäre es mit einem Verein aus der ersten russischen Liga?" "Das hört sich doch gut an, leg los!" "Der FC Ufa sucht einen neuen Trainer. Erst im Dezember 2010 gegründet und nun schon durch Oligarchengeld und -verbindungen in der höchsten Liga gelandet." "Okay ... Ufa, wo liegt das?" "Einen Moment, ich schau mal bei Wikipedia ... Millionenstadt westlich vom Ural ... mhm ... Hauptstadt der Republik Baschkortostan ... Städtepartnerschaft mit Halle (Saale) ... mhm ... Stadion für 4500 Zuschauer. Kraftraum, Schwimmhalle ... was meinst du? Eine Unterschrift von dir und du bist in der ersten russischen Liga!" "Hört sich gut an, wo muss ich unterschreiben?"

SIBIRIEN..


...endlich angekommen. 15. September 2014. 10 Grad. Ein Traum. Der Ural...ein Traum...die Liga...ein Traum...die Mitspieler....ein Traum...wann wache ich endlich aus diesem Alptraum auf? Allein die Fahrtzeit zu den AUswärtsspielen sorgt dafür, dass ein Gehalt von 250.000 Rupien im Verhältnis zu den Arbeitsstunden zu einem Stundenlohn von 6 Rupien und 50 Kopeken führt. Das bedeutet, dass ein Uraloge weniger verdient als ein Urologe (das ist aber fair...), aber das ein Uralogischer Fußballspieler weniger verdient, als ein bulgarischer Gebäudereiniger, der in Deutschland arbeitet und den Mindestlohn umgeht. Ist das gerecht? Haben wir in Russland eine Lohndiskussion? Gibt es gar ein Plädoyer für ein Grundeinkommen für Ersatzspieler? Nicht spielen und trotzdem Geld beziehen?

Wieviel weiße Menschiwiki und wieviel rote Bolschewiki spielen für den FC Ural, dessen Hauptsonsor die Zahnbürste Oral B ist....

...und verdammte Axt, das Wichtigste habe ich fast vergessen...wo bleibt denn Ilja??? 

Baltika Kaliningrad hat einen neuen Trainer eingestellt, den deutschen Newcomer Piwi. Er soll die Russen in die neue Premjer-Liga-Saison führen.