Die Karelia Kolumne von Lew Dawidowitsch
Petrozavodsk (ld) Stellen wir uns eine Mauer vor. Eine Mauer des Schweigens und des undurchsichtigen Geschwafels. Typisch das Land des mächtigen Bären. Eine Krähe hackt der anderen scheinbar kein Auge aus. So muss ich eingestehen, dass es derzeit keine weiteren Hinweise zu den Spekulationen der letzten Woche gibt. Entweder fabuliert man nichtssagend vor sich hin oder schweigt sich gar ganz aus. Ein klares Dementi hält scheinbar niemand für nötig. So einen Zusammenhalt, falls es denn einer ist, sucht man anderswo vergebens. Aber noch gebe ich nicht auf, meine Informanten und Kontakte werden auf Hochtouren aufdrehen und versuchen, diesen offensichtlichen Filz zu durchdringen.
Immerhin zeigte sich Wämser dieser Tage auskunftswillig, sodass ich Ihnen hier ein paar Fragen und Antworten präsentieren kann.
LD: Herr Wämser, zunächst noch einmal ein herzliches Willkommen in Petrozavodsk. Wie schätzen Sie den Start der Mannschaft in die Saison ein?
W: Hallo Herr Dawidowitsch, ich sage nur ein Wort: vielen Dank. Darüber hinaus denke ich, dass wir als Aufsteiger mit dem bisherigen Verlauf zufrieden sein können. Aus den Startlöchern sind wir gut gekommen, und zuletzt konnten wir einem Titelfavoriten daheim ein torreiches Remis abknöpfen. Reicht erstmal, wir sind im Soll.
LD: Naja... es sind aber auch stimmen zu hören, die angesichts des Spielverlaufs in Moskau einen Sieg erwartet haben...
W: Was soll ich dazu sagen? Diese Leute scheinen noch nicht verstanden zu haben, dass der Erfolgsritt durch die unteren Ligen nun erstmal zu Ende ist. Wir spielen in der Premjer Liga, auf höchstem taktischen Niveau und gegen die besten Mannschaften Russlands. Da muss man auch mal kleine Brötchen, also bulochka, wie man hier wohl sagt, backen.
LD: Aha. Nun denn. Heißt das, dass Sie kein Saisonziel, außer dem Klassenerhalt nehme ich an, ausgeben werden?
W: Mein lieber Herr Dawidowitsch, jetzt bin ich doch etwas unterrascht. Natürlich werde ich mich hüten, etwas anderes als den Klassenerhalt zu fordern. Dass hier eine überzogene Erwartungshaltung herrscht, habe ich bereits verstanden. Ich weiß hundertprozentig, dass wir mit der Mannschaft erstklassig bleiben können. Aber ohne Geduld und Qualitätssteigerung geht es nicht. Nochmal extra für Sie: Es dauert eben seine Zeit, um aus einem Ackergaul ein Rennpferd zu machen. Und überhaupt - oh, ein dringender Anruf, entschuldigen Sie mich bitte. Auf Wiedersehen.
Tja liebe Leserschaft, da ist wohl einer etwas dünnhäutig geraten. Westler... Keine Ahnung wie der bei den Halbjapanern dahinten so erfolgreich werden konnte. Aber verfolgen Sie auch nächste Woche wieder Lew Dawidowitschs Karelia Kolumne in der Petrozavodsk Gazeta. Ich fasse hier aus Bequemlichkeit niemanden mit Samthandschuhen an, sondern frage: Ehrlich. Hart. Fair. Informativ.
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