Okean Nachodka

... habe ich mir das zum erzwungenen Abdanken meines Clubs von Russlands größter Fußballbühne gewünscht. Allerdings in meinen kühnsten Träumen, denn etwas Glück war schon dabei - Glück, was uns zuletzt das ein- oder andere Mal gefehlt hat. Elfern im Pokal hat nie was mit Können zu tun, und in der Liga wären wir beinahe von ZSKA noch abgefangen worden. Umso mehr können wir nun erhobenen Hauptes diesen Verein zu Grabe tragen, denn für uns wird es nun immer einen denkwürdigen Platz in der Geschichte der Premjer Liga geben.

Ich danke allen Verantwortlichen, die es trotz der schlimmen Finanzlage der letzten Monate geschafft haben, den Delphin im Freiwasser zu halten und ihn nicht vorzeitig stranden zu lassen. Euretwegen konnte ein kleiner Verein mit limitierten Mitteln mit den großen Namen mithalten. Ebenso danke ich allen Mitarbeitern in allen Positionen, die mit ihrem Beitrag zum Gelingen des Projekts Okean Nachodka beigetragen haben. Oder in Neurussisch: Teamwork makes the dream work. Danke.

Ein Sonderlob muss an die Mannschaft gehen. Wie abgezockt sie auf die Lage reagiert und bis zum Schluss die Nerven bewahrt und an sich geglaubt hat ist schon bemerkenswert. Sie hat sich schlussendlich selbst belohnt und mir den traurigen Abschied leichter gemacht. Ich kam als Fremder und gehe als Freund, als einer von vielen, die Okean lieben.
Aber natürlich befinde ich mich bereits in Vertragsgesprächen, das ist doch ganz normal, und es sieht so aus, als bliebe ich der Premjer Liga erhalten - allerdings deutlich näher dran an meiner geografischen Heimat. Mehr kann ich dazu Stand heute aber noch nicht sagen.

Ich wünsche allen ein erfolgreiches neues Jahr und viel Kraft, um diesen Verlust zu verarbeiten, gleichwohl viel Energie, um neue Projekte anzugehen und umzusetzen. Vor allem aber Gesundheit, Zufriedenheit und Weltoffenheit - und im Herzen immer einen Platz für Okean, das sich trotz zunehmender menschlicher Kälte in Russland immer wohltuend anders präsentierte. Vorwärts und nicht vergessen." Wämser, 41, erster Double-Trainer von Okean Nachodka, letzter Trainer des Vereins überhaupt, amtierender ewiger Derbysieger

...außerordentlichen Mitgliederversammlung bei Okean Nachodka. Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Vereins, liebe Genossinnen und Genossen. Sicherlich haben alle schon von den Gerüchten um die Nichterteilung der Lizenz für unseren geliebten Club für die Spielzeit 2016-1 gehört. Auch wenn die vom Verband dargestellten Gründe nicht der Wahrheit entsprechen, kann ich heute, an diesem schwärzesten aller Tage, nicht umhin, euch zu bestätigen, dass der Verein pleite ist.

Wir haben uns bis zuletzt bemüht, das beachtliche Finanzloch von vielen Millionen Rubel zu schließen, aber es ist mir und uns nicht gelungen. Das bedeutet im Klartext, dass wir unseren geliebten Verein Okean Nachodka zum Saisonende beim Verband abmelden und liquidieren müssen. Immerhin können wir den Spielbetrieb bis Saisonende noch aufrecht erhalten, was uns bei Banken- und Sponsorengesprächen angesichts von je einer Hand am Kubok sowie am Meisterpokal bis zuletzt antrieb.

Ich habe 43 Stunden nicht geschlafen und ich denke, das ist einigen aus den oberen Vereinsetagen so ergangen und wird es vielleicht auch weiterhin. Ich war als Junge schon im Wodnik-Stadion und durfte Jahre später die Entwicklung des Vereins auch aktiv mitbegleiten. Nun, nach einigen erfolgreichen Saisons unter meiner Führung im Oberhaus der russischen Liga wird sich das Kapitel Okean für immer schließen. Ich bin untröstlich.

Bitte verliert jetzt nicht die Nerven, es steht zuviel auf dem Spiel. Wir werden unsere nächsten Schritte transparent machen und natürlich wird es angemessene Feierlichkeiten geben. Hierzu stehen wir in engem Dialog mit den Fans, die natürlich auch sehr betroffen sind. Ich wünsche mir und uns allen einen Abschied mit Pauken und Trompeten aus der Premjer Liga und dem Torrausch-Universum. Es war mir eine Freude, diesen Verein mit seinen friedlichen, internationalistischen Anhängern zu leiten. Lasst uns alle miteinander nun das Glas erheben..." Mihail, 60, Präsident Okean Nachodka

...brodelt ja nur noch! Angeblich ist der Verein fast zahlungsunfähig, weil die Moskauer Bank dermaßen in Schieflage geraten ist, dass das gesamte dort hinterlegte Vereinsvermögen futsch sein soll. Also wenn das ein Scherz sein soll, kann ich nicht drüber lachen! Mal so gar nicht! Aber wer würde sich so einen Mist ausdenken? Obwohl, wenn Vorstand, Trainer und Spieler im Moment wirklich kein Geld nehmen sollten, um die Saison wenigstens noch zu Ende zu bringen... Das wäre ein absoluter Alptraum! Wenn dieser Wämser dann geht und womöglich noch die besten Spieler mitnimmt - was soll dann aus dem Verein werden? Das fußballerische Herz Nachodkas, das hier so vielen Menschen immer und gerade zuletzt so viel Freunde bereitet hat, würde sicherlich aufhören zu schlagen. Keine Ahnung, ob ich das überleben würde... Was ist, wenn Okean wirklich pleite geht und eine Neugründung vom Verband untersagt wird? Muss ich dann wirklich mit meinem Enkel in ein verfallenes Stadion gehen und mit feuchten Augen von früher erzählen, von Dingen die nie wiederkommen werden? Oh je, ich brauch schnell eine Herztablette..." Wladimir, 54, Gründungsmitglied Okean Nachodka

... Und Derbysieger! Oh, wie ist das schön, sowas hat man lange nicht geseh´n! Also wenn mir jemals Glück im Leben widerfahren ist, dann waren es die letzten Tage. Was Okean hier gerade reißt ist der Wahnsinn, ich bin völlig aus dem Häuschen! Derbysieger und Derbysieger! Im Kubok Viertelfinale! In der Liga Spitzenreiter! Ich raste aus! Allerdings auch wegen der Ticketpreise auf dem Schwarzmarkt. Da steht man stundenlang an und bekommt trotzdem keine Karte mehr, wenig später soll man "inoffiziell" das sechsfache des Kaufpreises zahlen? Ja sind die denn wahnsinnig? Da muss man doch mal was machen...
A propos... habe neulich das Gerücht aufgeschnappt, dass Trainer und Mannschaft diesen Monat noch kein Geld erhalten haben. Da versucht doch nur jemand, mit schlechter Stimmung all die gute Laune zur Zeit zu vergiften, oder? Das kann doch nicht sein, der Rubel müsste doch derzeit rollen wie nix..." Boris, 59, Vorsitzender des Fanclubs ´Blau wie unser Delphin´

...gute Nachricht? Ruhig ist es beim Verband - einerseits nach den letzten hitzigen Wochen mal eine Wohltat, keine neuen Schreckensmeldungen oder Schönrednereien zu vernehmen, andereseits steigt so natürlich die Unsicherheit bei den Vereinen enorm. Zumindest in Nachodka.
Die Moskauer Bank ist bezüglich des Vereinskontos nicht mehr zu erreichen, hat mir ein Vögelchen aus der Vorstandsetage gezwitschert. Weiß sonst noch niemand, soll ich natürlich auch nicht weitersagen - mach ich ja auch nicht, bleibt doch unter uns, oder?

Aber all die Spekulation hilft ja auch nix, die Wahrheit is auf´m Platz. Und da sieht´s zumindest in der Liga doch ganz gut aus für Okean. Für ganz vorne dürfte es eng werden, aber die erneute CL-Quali wäre ja auch schon wieder ein schöner Erfolg. Leider ist bis dahin noch ein Stück Weg zu gehen. Zum Meister, daheim gegen einen unberechenbaren, angeschossenen Löwen und dann wieder zu den Ungesichtern ein paar Kilometer weiter... da ist der Derbysieger-"Titel" in akuter Gefahr.  Aber in diesen Zeiten gibt es wohl wichtigere Dinge, die wir gemeinsam stemmen müssen - jeder da, wo er gebraucht wird." Takuya, 47, WC-Servicekraft

... würde uns alles sicherlich gut tun. Natürlich haben die Vereine nichts zu verschenken, und natürlich muss auch der Verband handlungsfähig bleiben. Daher möchte ich an alle Parteien appelieren: Sucht das Gespräch und bildet keine harten Fronten! Es muss doch möglich sein, die Angelegenheiten diplomatisch zu lösen - auch wenn Russland auf dem Gebiet vielleicht etwas Nachholbedarf hat...

Die Unterstellung seitens des Ligaverbands in Richtung Nachodka, dass Zuschauerzahlen eventuell manipuliert worden seien sind da genauso wenig hilfreich wie Okeans Vorwüfe in Richtung der Moskauer Zentralbank. Der Verein hat mir bereits eine Offenlegung der Bücher angeboten und umfassende Kooperation zugesichert. Die Moskauer Bank hingegen hat immer noch nicht auf meine Bitte einer Erklärung für den sukzessiven Verfall des Vereinsvermögens reagiert.

Was die Sonderabgabe angeht, so wird Okean Nachodka demnächst zusammen mit ähnlich denkenden Clubführungen zu Verhandlungen mit der Verbandsspitze an den Grünen Tisch einladen. Ich denke, dass wir alle gemeinsam Lösungen finden werden." Kolja, 31, unabhängiger Mediator und Wirtschaftsberater

... das darf doch alles nicht wahr sein! Diese $#*% Gierhälse vom Verband kriegen einfach den Hals nicht voll! Abgabe für ausländische Trainer? Die da oben verballern die ganzen Rubel und die Clubs der Premjer Liga sollen die Rechnung zahlen? Ja wo kommen wir denn da hin? Mal wieder typisch Russland. Als ob Okean nicht schon gebeutelt genug wäre. Jetzt auch noch das! Ich sag mal: Das wird eng. Ganz schön eng. Würde unsere Moskauer Bank nicht so in der Klemme stecken, wäre es einfacher, viel einfacher. Welche Hauptstadtmafia da nun auch schon wieder hintersteckt und irgendwelche Kurse und Zinsen manipuliert... aber es kann doch nicht sein, dass unser angelegtes Festgeld nahezu täglich weniger wird!? Aktuell reicht es nicht mal mehr für die Trainerabgabe - so die denn kommt. Unser Präses will ligaweit Verbündete suchen und mit möglichst breiter Front beim Verband vorsprechen, um das Schlimmste zu verhindern. So einfach kommen die damit nicht durch! Falls aber doch, ist guter Rat sehr, sehr teuer... Hoffentlich sickert so schnell noch nichts zur Mannschaft und den Fans durch..." Iwan, 53, Vizepräsident Okean Nachodka

Sieht denn niemand was hier in Nachodka vor sich geht? Von Ruhe ist hier jedenfalls nix, aber auch gar nix zu spüren! Wenn sich keiner traut, das Maul aufzumachen, dann bin ich das halt - sollen sie mich doch feuern, internieren im Gulag, irgendwas! Okean liegt mir einfach zu sehr am Herzen, als dass ich tatenlos zusehen könnte, wie der Club vor die Hunde geht... Alles für den Club!

Okay, muss mich erstmal beruhigen... Man hat es ja lesen können, dass die Antrittsgelder zu dieser Saison stark gestiegen sind. Aber nicht nur die, auch die Moskauer Banken bedienen sich reichlich bei den Clubs, die dort ihre Rücklagen haben - oder bald hatten? Ich habe das schon der Clubführung gesteckt, sollen die was draus machen. Ich kann nur Vorschläge machen, entscheiden müssen die da oben. Zudem hat mir ein Freund aus den oberen Verbandsstrukturen gesteckt, dass Nachodka demnächst Besuch von den internen Finanzprüfern bekommen könnte. Ein Schelm, der "hauptstädtische Methoden" zur Mundtotmachung eines bzw. mehrerer Favoriten dahinter wittert? Ich hoffe, das Team bleibt ruhig und wir kommen da alle heile raus..." Todor, 41, Kassenwart

... das Derby verloren. Ich weiß zwar nicht, in welcher Hektik der Coach wieder seine Taktik ausgebrütet hat, aber unbedingter Siegeswille sieht anders aus... Halbgar und pomadig hat das Team gespielt, und damit den Gegner aus der Stadt, deren Name höchst ungern genannt wird, zum Toreschießen animiert. Die haben ja zum Glück auch nur Grütze angeboten, und damit zu einem Punkt zu kommen kann eigentlich auch nicht sein. Dennoch dürfte die das Remis mehr schmerzen als uns. Aber das ist eben Fußball. Auf eigenem Platz muss der Hammer kreisen und der Gegner wissen, was ihm hier blüht, ganz besonders im Derby - meine Meinung. Hoffentlich nimmt sich dieser Europäer demnächst mal wieder mehr Zeit für die Auf- und Einstellung von Okean, sonst bewerbe ich mich da mal ausdrucksstark. Mit halber Arschbacke kann ich den Job sicher auch erledigen... Und würde bei meiner Vorstellung sagen: ´Ich denke mal, ich bin kein Messias, ich kann nicht in drei Tagen Okean Nachodka auf den Kopf stellen. Aber eins kann ich: Ich kann in den Köpfen der Spieler eins sagen. Dass sich andere Zeiten in Nachodka ändern! Auch wenn die reine Fitnesszulassung der Mannschaft gerade bei 70% ist, wie ich gehört habe.´" T. Legat, 46, Rhetorik-Genie

... die anstehenden Heimspiele haben es ja in sich. Zuerst kommt der amtierende Meister ins Wodnik-Stadion, dann der aktuelle Tabellenführer aus der ungeliebten Nachbarstadt. Trotz aller Rivalität muss man schon sagen, dass die zum Saisonstart stark aufgetreten sind. Da müssen sich unsere Jungs ordentlich strecken, fürchte ich - wenn das mal reicht. Mit einem Punkt gegen Perm könnte ich leben, von mir aus auch mit einer Niederlage, aber das Derby muss absolut gewonnen werden! Das 0:5 zuletzt ist noch nicht vergessen! Was war das aber auch für ein Aasgestank da drüben, man musste doch öfter würgen. Hier riecht es immerhin nur nach Fisch und Fabrikschornstein, da gewöhnt man sich schnell dran. 
Ach so, und dann geht es ja noch nach Nowosibirsk.Ob man da was mitnehmen kann? Zuletzt waren die Auftritte dort glaube ich von wenig Erfolg gekrönt... Naja, die Wahrheit ist wie immer auf´m Platz, ich nehme einfach eine Herztablette vorher und schaue was passiert." Kolja, 53, Frührentner und "Fan der ersten Stunde"

...stimmt es, dass Okean diese Saison Meister wird? Wie ich darauf komme? Mein Klassengenosse Ilja hat gesagt, seine Mutter hat das in der staatlichen Infobroschüre des Ligaverbands zum Saisonstart gelesen, und er hat auch gesagt, dass seine Mutter meinte, dass Okean das schaffen kann, wenn alles mit rechten Dingen zugeht und sie es nicht wieder in letzter Minute vergeigen. Wie bitte? Äh, ja, ich glaube schon dass seine Mutter ganz gesund ist, wieso? Ich weiß nicht, wieviel Ahnung die von Fußball hat, und ich weiß auch nicht, ob es bei der linksrum tickt. Mir scheint, du glaubst eher nicht dass... Der Trainer? Ist das nicht egal ob der ein Vollidiot ist oder nicht, wenn er doch ein ganz netter Trainer ist? Papa, was ist denn ein Kapitalistenarsch? Wann ist 'wenn ich größer bin'? Und kann Ilja auch ein Kapitalistenarsch sein? Warum soll ich das nicht sagen? Aber ins Stadion gehen wir doch, auch wenn Okean nicht Meister wird, oder?  Papa? Paaapaaa...!" Oleg, 10, Schüler

... nach Perm, dort hat man es mit aller Erfahrung verstanden, den Titel festzumachen, den wir zwei Mal verdaddelt haben. Aber unser junges Team muss noch einiges lernen, und da gehört eben auch Kaltschnäuzigkeit dazu. Natürlich müssen wir in Perm den Dreier mitnehmen, da haben wir uns zu naiv angestellt. Auch sind wir am letzten ZAT ein insgesamt zu hohes Risiko gegangen.

Äh, war das eine Frage? Ah, verstehe. Ja, wir konnten auch nicht ahnen, dass dieser - wie sagten Sie? - "neureiche Millionärsclub" das Zünglein an der Waage zwischen beiden Titelfavoriten gibt und die Saison mit 3,2 TK beendet und dadurch absteigt. Was? Also das ist ja... ich betone ausdrücklich, dass das NICHTS mit irgendeiner Manipulation zu tun hat! Und - wie bitte? Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dort Trainer zu sein, man sieht doch, dass niemand diesen Posten will.

Aber wie schon gesagt, wir hatten alles selber in der Hand und müssen uns nun nicht über andere aufregen. Ich denke wir dürfen auch nicht den Eindruck erwecken, dass der Vizemeistertitel nichts wert ist. Sie müssen mal bedenken, wo wir herkommen - dafür haben wir eine sehr gute Entwicklung genommen, die nun zu einem hochverdienten 2. Platz in einer starken Liga geführt hat!

Danken möchte ich noch den Teams, die auch zum Ende der Saison hin fair aufgetreten sind, sowie dem Ligaverband für die gute Arbeit - auch wenn mir der örtliche Saunaclub fehlt. Auch unsere Fans verdienen Hochachtung für den Support und die Strecken, die sie für den Club zurücklegen.

Ich werde nach dem Liga- und Oleg-Blochin-Pokal alles auf den Prüfstand bringen und schauen, ob es so weitergehen kann bzw. an welchen Schrauben gedreht werden muss, um die Mannschaft weiter zu verbessern. Jetzt würde ich noch ein paar Ihrer Fragen beantworten..." Wämser, 41, Trainer Okean Nachodka

...was war denn da los? Nach drei Siegen in Folge so eine Klatsche? Ich hoffe nicht, dass Okean den Titel in Perm verspielt hat. Die Aufstellung des Trainers habe ich nicht verstanden, aber die Erwachsenen um mich rum auch nicht. Der eine, der war bestimmt schon über 40, hat immer wieder auf den Trainer geflucht und hatte einen ganz roten Kopf. Auch schon, als es nur 1:0 für Amkar stand, der hatte wohl so eine Ahnung, dass das Spiel richtig schief gehen sollte. Nach dem 4:0 wurde er plötzlich ruhiger und hat sich an die Brust gegriffen, da dachte ich schon dass der einen Herzinfarkt oder sowas hat. Danach murmelte er nur noch Dinge vor sich hin, aber außer "Mistkerl", "Hinten gewinnt man Titel" und "Wenn ich den erwische" konnte ich nichts verstehen. Beim Abpfiff sagte er noch "5:0 - das war´s dann wohl".
Ich würde es aber gut finden, wenn Okean in meiner ersten Saison als Fan doch noch Meister wird. Obwohl Vizemeister natürlich auch schon toll wäre. Am besten gefällt mir der eine Stürmer und der Torwart." Waleri, 14, Jungfan

Unser Fußballverein von hier soll Tabellenführer sein? Da hab ich ja noch gar nichts von gehört, und ich komme ja nun viel rum! Gut, zugegeben, als Fan des Eishockeyteams von Wladiwostock rede ich nicht viel über Fußball, aber solch eine Meldung hätte ich doch mitbekommen müssen?! Bei so vielen Kunden muss doch ein Okean-Fan dabei sein, oder? Das letzte was ich zum Thema Fußball mitbekam war der spektakuläre Wechsel unseres Lokaltalents Wiktor Faisulin nach St. Petersburg...

Das freut mich aber natürlich für unsere kleine Stadt, das bedeutet doch endlich mal wieder russlandweite Aufmerksamkeit. Hab mich schon gewundert, warum so viele Fernsehwagen hier rumfahren. Vielleicht komm ich ja auch ins Fernsehen, da könnte ich, falls ich auch interviewt werde, gleich etwas Werbung für meine Firma machen. Das Handwerk wird ja nun immer gebraucht, so ist es doch. Ich wünsche Okean viel Glück für den Endspurt, und wenn sie es wirklich schaffen sollten, bekomme ich hoffentlich was von den Feierlichkeiten mit...!" Alexander, 41, Handwerker

...kann mir gestohlen bleiben! Ich geb meine Dauerkarte ab, so ein Haufen, ey! Da ist alles angerichtet für eine weitere Demütigung der Wladis und dann sowas. Ekelerregend, zum Kotzen, einfach wi-der-lich! Und damit meine ich nicht den fischigen Aasgeruch, der noch so leicht übers Stadion wehte, sondern die taktischen und spielerischen Leistungen von Trainer und Mannschaft. Ich vergesse eure Namen! Pfui! Hallo??!! Es war ein Derby! D_E_R_B_Y!!! Und dann lässt man sich in dieser Unstadt so vorführen. Jeder Fan aus Nachodka wurde da mit Schande bedeckt, aber so was von! Da hilft auch die lustige Papiertütenchoreo der Ultras nix. Leck mich am Montag! Ausrasten könnt ich!

Äh, was? Ach wie, trotzdem Tabellenführer? Ah so... Ja, äh, dann natürlich... Naja, kann mal passieren so ein gebrauchtes Spiel, hauptsache Körner sparen für den Endspurt zu, äh, ja, zur, äh, ja wofür denn jetzt eigentlich? Kann das wirklich noch möglich sein?" Andrij, 68, Mecker-Rentner

...wirft seine Schatten voraus. Wie ich lese, leiden sie in Wladiwostock schon unter unseren Fischdüften, die Bekannte von mir mit Wasserflugzeugen, deren Tanks mit Abfällen aus der Fischfabrik versetztem Wasser gefüllt sind, nahe der Stadt abwerfen. So riecht der Tabellenführer, hähä! Vielleicht brechen sie die Tage das Training ab und sind im Spiel dann nicht auf der Höhe, mal sehen. 

Überhaupt wird das ein spannender ZAT. Der Meister gibt sich die Ehre im Wodnik Stadion, und im Unterschied zu Okean sind die noch im EC vertreten, auch FK Krasnodar. Da kann man als Sportsfrau - okay erwischt, beim Derby bin ich keiner, hihi - nur gratulieren und weiterhin viel Glück und Punkte für den mächtigen Bären in der 5-Jahreswertung wünschen.

Und wenn auch Kuban offiziell trainerlos ist, so wird man die hoffentlich nicht unterschätzen. Schließlich weiß man ja nicht, ob Da_Masta sich nicht auch dort eingekauft hat und im Hintergrund die Fäden zieht?  Äh - das kommt doch alles nicht in die Zeitung, oder? Dann nehme ich natürlich alles zurück und behaupte das Gegenteil!" Galina, 19, jetzt sicher ehemalige Praktikantin des Okean-Pressesprechers

...nicht erlegt hat, sollte man sein Fell nicht verkaufen. Dieses russische Sprichwort ist es heuer durchaus wert, mal wieder aus der Mottenkiste gekramt zu werden. Ich kann schließlich meinen Fisch auch nicht vor dem Fang an die Leute verkaufen, warum sollte für Okean bzw. die Sponsoren anderes gelten? Erzählt mir doch dieser Papiertütenheini aus der Vorstadt, dass er enorme Umsätze plane mit seiner neuen Werbekampagne... Schrott ist das, sage ich! In diese Dinger kann man vielleicht meine Fische einwickeln, aber mehr nicht! Wenn, und ich betone WENN es unser kleiner Pissverein tatsächlich schaffen sollte, die Liga zu gewinnen, bin ich der erste, der eine Palette Papiertüten kauft. Aber nur, wenn der Typ seine Behauptung, ich würde meistens nicht-frischen Fisch verkaufen, zurücknimmt! Kann ich doch nix dafür, wenn ich gallische Vorfahren habe... Der soll froh sein, wenn mein Schwager auf Island ihn nicht zum Gammelhai-Probieren nötigt. Da klappt der doch aus den Latschen, das Papiergewicht... man, man, man... doohh...!" Igorix, 43, Fischer

...ne Storch! Ich hoffe die aktuelle Tabelle ist keine Ente! Obwohl ich die auch braten würde. Schön mit Pflaumen und Weißkohl, mmmh... Aber ich schweife ab. Zu Steve Martin, von dem ich neulich einen Film im russischen Fernsehen sah: L.A. Story. Wie heißt es da so schön vom französischen Koch: Die Oonte bekommt er nischt. Er bekommt die Ühnschen. Schön, dann tut´s auch ein Huhn. Mit Honigkruste und... na gut, genug vom Futtern, hehe...

Obwohl der kleine Orca ja letzthin auch gut gefuttert hat, wenn auch nur Punkte. Die machen ihn nicht dick, eher stattlich, aber das Punktepölsterchen auf die Konkurrenz kann sich zum Ende der Hinrunde sehen lassen. Ein süßes kleines Pölsterchen ist das noch, ein süßes süßes kleines... Aber: Der Winter naht, und da muss es noch etwas gedeihen wenn es über die Rückrunde kommen will. Pünktchen für Pünktchen für Pünktchen soll der junge Wal - da fällt mir ein: Walsteak mit Gürkchen und Vodka, mjam! - hamstern... Äh, erwähnte ich schon Feldhamster mit Frühkartoffeln und jungen Bohnen? Herrlich... Ja aber junger Redakteur, wo wollen Sie denn so plötzlich hin?" Semjon, 44, Ernährungsberater und Betreiber der Vereinsgaststätte

in der russischen Eliteliga, na klasse. So kann der Fußball hierzulande natürlich imagemäßig nicht zu Premier League, Bundesliga oder Primera Division aufschließen. Zum Glück hat die Gerechtigkeit ihren Weg gefunden! Machen wir also das, was wir am besten können: Abwarten und Gras drüber wachsen lassen.

Ich kann ja jetzt sowas sagen, als neuer Großsponsor von Okean. Ich weiß nicht was passiert ist, aber der Absatz meiner Papiertüten ist zuletzt sprunghaft angestiegen, sodass ich mir diesen Status hoffentlich noch lange leisten kann. Sollte das an unseren Werbeplakaten mit Pjotr, dem lustigen Papiertütchen liegen? Hab ich meinen Schwarzsehern aus der Buchhaltung doch gesagt: Die Papiertüte stirbt nicht aus.

Genauso wie die Gerüchteküche. Erzählt mir doch mein Nachbar, er habe in der Zeitung gelesen dass Okean Meister werden wolle. Haha! Späßchen am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen, oder wie? Ich glaube nicht, dass das junge Team schon so weit ist. Eigentlich wollen wir doch wieder europäisch spielen... andererseits... so ein ´Betriebsunfall´ käme mir ja gelegen... werd gleich mal eine neue Papiertütenwerbung überdenken... Hmm... die Meister-Papiertüte... ja, das könnte was werden..." Timur, 60, Papierfabrikant

...und der Laie wundert sich. Tausende Mitgereiste? Nur 150 reingelassen? Also in Wahrheit waren 158 drin, die anderen 28 hatten zuviel Promille im Blut und konnten sich nicht mehr benehmen. Aber interessant, dass auch ansehnliche Frauen dabei waren, die hackedicht sich vor uns auszogen und anfingen irgendwelche Sauflieder zu singen. Was das sollte weiß wohl keiner, aber solche Leute kann man natürlich nicht ins Stadion lassen. Und bei einigen musste man auch zusehen, dass man nicht erblindet... Bei anderen wiederum... naja. Zum Glück (?) bin ich ja verheiratet. Aber was ist nur in Wladiwostock los?

Jedenfalls war das mal wieder ein Tag, von dem ich noch lange erzählen kann. Und gewonnen hat Okean das Derby auch, geht´s noch besser? Bin schon gespannt wie die Saison so weitergeht, hoffentlich kommen da noch viele Spiele mit Sicherheitscharakter. Und schönen Gästefans." Dmitri, 24, Steam Club Security

... was die Verantwortlichen unseres nahegelegenen Konkurrenten da verlautbaren... Auswärtsdreier in Nachodka? "Gesundheit" würde ich da sagen. Angesichts des nahenden Derbys, wie man in neurussisch sagt, ist unsere Crew schon auf 180. Und wir werden den selbsternannten "Herren-Osties" nicht den Hauch eines Herrschereindrucks vermitteln, wenn deren 150 Auswärtsfans hier wagen sollten aufzuschlagen. Wir stehen nach wie vor zu einer offenen und herrscherfreien Gesellschaft und werden, wenn nicht auf dem Platz, so zumindest daneben dafür sorgen, dass Wladiwostok inmitten blauen und weißen Rauchs die Orientierung verliert." Oleg, 17, sogenannter "Supporter" - also Hooligan.

Anmerkung des Vereins Okean Nachodka dazu: "Natürlich sind uns die Spieler, Fans und die Verantwortlichen aus unserer Nachbarstadt Wladiwostok herzlich willkommen. Wir legen Wert darauf, dass diese Partie unter fairen Bedingungen und vor allem sportlich ohne Zwischenfälle ausgetragen werden kann und werden alles tun, um potentielle Störer im Vorfeld zu erkennen und zu eliminieren." Leonid, 74, Präsident Okean Nachodka

...zweite Liga, nie meehr, nie mehr, nie mehr...! Ich hoffe, dass diese Zeiten nun endlich vorbei sind und Okean ein solider Erstligist geworden ist. Dass wir nun wieder europäisch spielen ist doch ein gutes Zeichen. Es wird solide gewirtschaftet, auch für die neue Spielzeit wurden keine Altstars rangekarrt oder andere Harakiri-Transfers getätigt - auf diesem Fundament kann man denke ich weiter aufbauen. Auch wir Fans werden weiter ernstgenommen, was ja in Erstligaverhältnissen keine Selbstverständlichkeit ist. Der Platzwart ist auch viel freundlicher, seit er den neuen Mäher hat. Und der Trainer persönlich hat mir ein neues Megaphon überreicht, damit ich unseren Fanblock noch besser anheizen kann - ein überragender Typ, obwohl er aus Deutschland kommt. Hehe. Ich hoffe, dass er noch lange hinter der Mannschaft steht. Gut Sport für die neue Saison!" - Aljoscha, 23, Capo

Obwohl Medien in Russland natürlich nicht zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet sind - wer käme auch auf so eine blöde Idee? - erklären wir uns nach einem persönlichen Treffen mit Herrn Maksim Roganov bereit, folgenden Text abzudrucken:

"Aber, aber, verehrteste Herren vom Verband, mitnichten wird hier in Nachodka ein Bordell oder ähnliche Sauerei betrieben - mit dem zugegeben westlich-imperialistischen und hier sicher unangebrachten Begriff "Puff" meinte ich eigentlich die russische Liga, äh, quatsch, natürlich die gemütliche und liebenswerte Kleinstadt in der ich mein Unternehmen führe. Ich nehme selbstverständlich alles zurück und behaupte das Gegenteil! So dubiose "Geschäftszweige" verachte ich zutiefst, denn ich bin ein ehrbarer Bürger Russlands, jawohl!" Maksim, 67, Unternehmer

Und nun noch ein paar Zitate, die wir aufschnappen konnten:

"Dass dieser #$*% Verband uns im entscheidenden Spiel gegen Saransk einen Schiri aus Wladiwostock schickt, ist eine #$*% Sauerei! Die müssten alle Puffverbot bekommen!" Name der Redaktion bekannt

"Oooh, ist das ein spannendes Saisonfinale! Ich bin so stolz auf die sweeten Jungs! Und die waren ja auch mal Tabellenführer, hab ich gegoogelt! Also den Mihail aus der Abwehr finde ich ja sooo süüüüß! Sieht aus wie Justin Bieber... Muss ich jetzt ins Lager?" Jekatarina, 15, Teenager

... mit einem Platz unter den Top 3. Da hatten die Jungs alle Chancen und versauen sich das noch, bzw. lassen es sich versauen. Hoffentlich wird es wenigstens noch irgendein europäischer Startplatz, sonst war mein Sponsoring völlig für den kalten Fuß. Vielleicht muss man auch nochmal über den Trainer sprechen. Aufstieg schön und gut, Mittelfeldplatz auch okay, aber nun muss eigentlich was kommen. Fischplatte, Wodka und Weißbrot in der VIP-Loge ertrage ich auch nicht mehr lange. Als Mittelständler investiere ich nun seit längerer Zeit in diesen Club und will nun endlich Spitzenfußball sehen können. In Wolfsburg geht das doch auch, allerdings hat es in Leipzig noch nicht ganz geklappt mit dem "Sich einfach in die Weltspitze einkaufen". Die können mich ja mal einladen, einen Vortrag über russische Gepflogenheiten und deren Übertragbarkeit auf Deutschland halte ich aus dem Stand. Jedenfalls erwarte ich Leistung für meine Rubel, L-E-I-S-T-U-N-G! Und das gilt für die Spieler genauso wie für den Trainer und sein Gefolge. Sonst ist hier ganz schnell Ramba-Zamba im Puff, und ich spreche nicht von dem in Barcelona!" Maksim, 67, Unternehmer, seit 4 Jahren VIP

... was "die da oben" wollen? Da lese ich in der Presse davon, dass man unsere beiden schönen Hotels in Nachodka unter die Lupe nehmen möchte? Was soll das denn werden? Nach kostenloser Publicity, wie man in neu-russisch sagt, sieht mir das aber nicht aus... Und dann diese Sauna- Legende - als ob es in Nachodka je eine Sauna gegeben hätte. Wir als Heimat- und Tourismusverband hätten davon ja wohl gewusst. Natürlich würden wir begrüßen, wenn der Bürgermeister mal eine öffentliche Sauna in Betracht ziehen würde, aber darauf kann man bei dem Kerl wohl noch lange warten.

Das scheint mir doch allmählich alles auf die Rufschädigung einer ganzen Kleinstadt, deren Club sich anschickt in die Phalanx der russischen Topvereine aufzusteigen, hinauszulaufen. Dazu würde natürlich auch passen, wenn Wladiwostok Rubel kassiert hätte, um im Derby auf einmal groß aufzuspielen und Nachodka kleinzuhalten... Ich will das alles nicht glauben, aber gerade in Russland muss man bekanntlich mit allem rechnen, sogar mit einem halbnackten Präsidenten auf ´nem Pferd." Jegor, 56, Vorsitzender des Heimat- und Tourismusverbands Nachodka

...Mikro so selten dämlich hinter das Kassettenradio gestellt? Wenn ich den erwische, der kann gleich seine Koffer packen und dann geht es ab in den Gulag! Das Steineklopfen wird ihm zwar auch keine neuen Synapsen in den Bregen pflanzen, aber dafür kann er der normalen Menschheit auch nicht mehr gefährlich werden! Wahrlich ein идио́т, Gott im Himmel! Wenn man nicht alles selber macht... Das Personal heutzutage lässt eben doch sehr zu wünschen übrig.

Zum Glück hat dieser Fatzke vom Verband die Nummer mit dem Raumbefeuchter geschluckt - zu seinem Glück wohlgemerkt, denn im Nebenraum, der durch eine falsche Schrankrückwand zu betreten ist, stand Vlad, der verruchte Vierkant, schon in Lauerstellung. Hoffe, der Knabe hat auch wirklich nichts geahnt und tritt nicht doch noch eine Lawine los, die einige Leute aus ihren ach so wichtigen Positionen schleudern könnte... Ich denke wir halten jetzt erstmal die kleinen Füßchen still, bevor noch jemand Betonschuhe dranprobiert." Anonym (Name, Alter und Position sind der Redaktion bekannt - Anm. d. Red.)

... in Nachodka. Jetzt kommt hier doch so ein Heini vom Geheimdienst vorbei, um die Sauna-Affäre zu untersuchen. Oder ist es ein Verbandsheini? Oder gar beides? Zum Glück haben wir nichts (mehr? - Anm. d. Red.) damit zu tun. Der Club ist dicht und die Verantwortlichen verschwunden. Und natürlich hat der Verein rein gar nichts damit zu tun gehabt - wer etwas anderes behauptet, sollte das klar beweisen können! Mit dem Zubrot als Herbstmeister können wir für den Notfall ein paar gute Anwälte in Stellung bringen, die jeden Ruf in Windeseile demontieren können. Hoffentlich sind uns der Kreml und der Verband wohlgesonnen und halten ihre Schnüffler an der kurzen Leine... Zur Sicherheit werden wir sie in die alten präparierten Hotelzimmer einbuchen lassen. Solange die alte Technik noch funktioniert erhalten wir vielleicht noch den ein- oder anderen Einblick. Falls alle Stricke reißen haben wir ja noch Vlad, den verruchten Vierkant - so breit wie hoch und mit einer Spezialuhr ausgerüstet, die Mini-Projektile verschießt und einen ausziehbaren Draht besitzt... Bislang ist keiner seiner "Patienten" unzufrieden wieder aufgetaucht...

...wirklich verhext zur Zeit! Zuerst fliegt meine Tarnung mit der Vereinssauna auf und meine Herrin... äh... Frau kommt mir auf die Schliche. Nicht nur, dass sie mir daher auch noch die letzten Freuden im Leben außer dem Fußball vermiest - nein, dazu lässt sie mich nächtelang draußen schlafen so dass ich mich schwer erkältet vom Spielbetrieb abmelden muss - und das als bester Scorer im Team!

Aber es geht noch schlimmer. Klar, Niederlagen nur mit ansehen zu können ist immer doof, aber als ich meine Erkältung in der Sauna austreiben will ist das Ding auf einmal zu!? Und was soll überhaupt das Schild "Bin dann mal weg, Wiedereröffnung ungewiss" heißen? Die Handynummer ist auch ungültig! Dieser Mihail ist doch wohl nicht durchgebrannt? Mit meinem Geld, meinen offenen Bestellungen! Und mit Maria, dem Traum meiner schlaflosen Nächte?

Ich hoffe, daran ist nicht unser bockiger Trainer schuld - Mihail deutete mal an, dass der sein Angebot irgendwie nicht zu schätzen wisse... Aber mein neuer Berater hat mir gesteckt, dass er dafür sorgen will, dass in Wladiwostock, also um die Ecke, ein neuer Freizeitclub mit Sauna entsteht - vielleicht werde ich dort Maria endlich wiedersehen...!?" Igor, 28, Mittelfeldmotor

... nach baldigen Gehaltsverhandlungen, wenn Okean jetzt noch länger da oben in der Tabelle bleiben sollte. Der Club bildet sich doch wohl nicht ein, dass mein Igor, sollte es am Ende ein internationaler Startplatz oder besser werden, weiterhin für so ein armseliges Gehalt kickt? Zum Glück hat mein Schnurzelchen ja mich zu seiner Managerin erkoren, na ja, was blieb ihm auch übrig... Er kann sich eben nicht so gut vertreten wie ich, das habe ich ihm gleich am Anfang unserer Beziehung klipp und klar gesagt - und er hat es sofort eingesehen. Ein toller Mann... Hach!

Die Chefetage werd ich schon Mores lehren, wär ja nicht das erste Mal. So wie die rumaasen mit den neuen Einnahmen fällt doch da für mein Zuckerschnäuzchen sicher auch was ab. Seh´ ich doch diesen Platzwart mit einem neuen Sitzmäher über das Gelände brettern?! Und die Bratfischbude ist auch neu gemacht. Nur die neue Clubsauna konnte ich noch nicht finden, dabei hat Igorlein doch neulich als er so spät nach Hause kam gesagt, er war noch etwas länger mit den Jungs saunieren... Also wenn ich rauskriege dass da was im Busche ist, dann Gnade ihm Gott!!!" Galina, 26, Spielerfrau

...prangt seit neuestem an der Geschäftsstelle von Okean. Endlich kriegen die Bengels Stil und finden gefallen am russischen Luxus. Ich hatte diesem europäischen Trainer, diesem Wendler... Wämler oder wie der heißt bei seinem ersten Besuch hier schon angeboten, dass er nur Bescheid sagen braucht wenn er oder einer seiner Spieler irgendwas mit Anspruch benötigt. Da hat er natürlich erstmal dankend abgelehnt, typisch Europäer - aber steter Tropfen höhlt den Coach, da bin ich sicher, dass der irgendwann auch den Reizen des "Dolce Vita im Riesenreich" erliegt. Zur Not muss ich mir einen anderen Kontakt hier in Nachodka warm machen, sollte kein Problem sein. Wofür kann ich denn alles besorgen, was das Herz begehrt?

In Krasnodar ist mir das kurzzeitig auch mit so ´nem Trainer gelungen, aber als der rausfand wem das Unternehmen gehört wollte er nix mehr mit mir zu tun haben... Beef mit dem Boss oder so... Naja, mir doch egal woher der jetzt seinen Kaviar, den Champagner und die feinen Nudeln bekommt. Da bin ich mir ganz wie immer selbst der nächste..." Mihail, 39, Geschäftsführer der Wa_Hu-Saunaclubkette

...Okean oben seh´n, brauchst du ausnahmsweise mal nicht die Tabelle dreh´n! Da hat mein Kollege, der Wladiwostok-Fan ist, nicht schlecht gestaunt wie Nachodka mit überragenden drei Siegen am Stück in die Saison gestartet ist - und seitdem hält er sich auch hübsch zurück mit blöden Sprüchen und Sticheleien. Was musste ich mir all die Jahre anhören, Wladiwostock hier, Wladiwostok da, alles toll, Premjer Liga hastenichgesehn, wo spielt eigentlich Nachodka gerade, und so weiter.

Insofern hoffe ich, dass Okean noch möglichst lange so gut dasteht, damit ich endlich, ENDLICH wenigstens für diese kleine Weile diesen Stuss nicht mehr hören muss. So manches Mal habe ich mich schon dabei erwischt, wie ich mich fragte, ob diese Fischbulettenmaschine nicht auch... Aber nein, das sollten wir schön bleiben lassen - es ist ja schließlich nur Fußball, nicht wahr?" Oleg, 34, Fabrikarbeiter

...geht die Saison bald los. Dieser Platzwart geht mir vielleicht auf die Nerven. Leider ist er mein Vorgesetzter, sonst hätte ich ihm schon längst die Möbel gerade gezogen. Seit er diesen neuen Aufsitzmäher mit angebautem Kreidetrichter hat, ballert er mehrmals täglich nahezu ekstatisch über den Rasen und mäht und kreidet was das Zeug hält. Doch nicht genug damit, dass er uns als seine Untergebenen damit in ihrer Arbeit behindert, nein, er hört auch noch so beknackte Musik dazu und singt laut und falsch mit! Wenn der nicht bald wieder runterkommt, geh ich vielleicht doch in die Fischfabrik zurück...

Nur sehe ich dann leider nicht mehr alle Spiele von Okean. Dabei bin ich so gespannt, wie die Neuzugänge einschlagen - die zweite Saison soll ja die schwerste sein. Der japanische U21-Nationalspieler hatte es ja nicht so weit, dafür dürfte dem brasilianischen Routinier das Wetter nicht ganz so fremd vorkommen. Ich hoffe auf eine weitere geile Saison, denn eigentlich macht es großen Spaß hier etwas mit aufzubauen..." Vladimir, 20, Rasenpflegehelfer

Hoffentlich ist die Saison bald vorbei. Schon seit Wochen ist mein Linienkreider kaputt und niemand denkt daran, mir einen neuen zu kaufen. Eigentlich ist der Klassenerhalt doch beschlossene Sache, da muss doch so eine Investition mal drin sein, wo sind wir denn hier? Ach ja, im tiefen Südosten, wo sich Wal und Delphin gute Nacht sagen.

Diese Geizhälse! Dass ich immer noch den alten Handrasenmäher habe ist ja schon kläglich. Dass ich den Whirlpool mit einem großen Blasebalg in Betrieb halte, kann man erst recht keinem erzählen. Und dazu darf ich bis Saisonende auch noch mit einem Eimer um den Platz laufen und die Kreide "manuell aufbringen" wie sie es in der Chefetage nennen.

Möcht ich mal den propperen Wämser sehen, wenn der sich hier krumm machen müsste! Aber nee, dafür hat man ja die Handlanger... und die feinen Herren schauen mal ob alles wohlgeraten ist. Wenn hier zur nächsten Saison nicht einiges anders wird, dann... dann... ja dann geh ich bis ganz nach oben, da werden sie schon sehen!" Mihail, 56, Platzwart

... nach der Saison gerne mal nach Moskau, schön shoppen gehen und diese tolle Stadt erkunden - am besten in einer Limousine mit schön Champagner, Prosecco oder sowas. Ich finde, das habe ich mir auch verdient. Ständig in diesem zugigen Stadion sitzen, das noch nicht mal richtige VIP Sitze hat, zusammen mit diesen anderen Hühnern, von denen mindestens die Hälfte ´ne ordentliche Klatsche hat, und immer lächeln, anfeuern, gut aussehen. Voll der Stress, oder?!

Da könnte mich mein Schatzi doch durchaus mal auf eine Woche Hauptstadt einladen, finde ich. Kann er sich doch ein neues Tattoo machen lassen in der Zeit, der Chauffeur wird die Taschen schon tragen. Ach so... dafür müsste Okean natürlich schon die Klasse halten...hihi..." Tatjana, 24, Spielerfrau

...ob wir nächste Saison in der ersten oder zweiten Liga kicken. Premjer Liga ist ja ganz nett, aber diese ganzen Oligarchenclubs und die hässlichen Arenen versauen einem oft den Spaß am Spiel. Ist doch voll scheiße dass es im Oberhaus nur noch um Kohle geht. Da finde ich die 1. Division attraktiver, so mannschafts-, fan- und stadienmäßig, ist alles noch etwas ehrlicher, es kommt einem zumindest so vor. Natürlich müssen wir auch da aufpassen, dass wir nicht von den Nationalen auf die Fresse kriegen - zum Glück ist unsere Fanszene da recht sauber, das macht es aber auch meist schwer und gefährlich für uns. 

Na und Okean... voll cool, dass wir den Aufstieg geschafft haben und uns einen ganz passablen Trainer angeln konnten. Auch wenn wir in der Liga nicht so die Ergebnisse haben macht es trotzdem Spaß ins Stadion zu gehen. Liebe kennt eben keine Liga." Artem, 19, Ultra

...und zwar direkt Richtung Zweite Division! Genau so hab ich mir das gedacht - ja okay, ich gönne es dem Verein auch ein wenig. Bauen die doch glatt keine VIP-Logen in das Stadion, das fasse ich immer noch nicht. Da sponsort man hunderte Rubel pro Saison, dass diese groben Unterschichtler mal ein wenig Spaß haben neben ihrem (Ausbeuter-) sicheren Job in der Fabrik und dann kriegt man es so gedankt!
Selbst meine nationale (Schläger-) Sicherheitstruppe konnte die Vereinsoberen nicht (einschüchtern) überzeugen, weil die Mehrheit der Fans in der gegenüberliegenden politischen Ecke zu Hause ist. Denen würd ich zu gern mal mit der Stalinorgel den Marsch blasen, aber man darf ja heute gar nichts mehr.
Ich finds jedenfalls dufte, dass der Merkel-Wämser das Team so richtig runterwirtschaftet. Trainingslager vor dem Pokalspiel, jaja. Immer weiter so, dann kann ich mir doch bald das Stadiongelände für ´nen Appel und ´n Ei einverleiben und die Fabrik vergrößern..."
Boris, 43, Fabrikant

...und lass uns ja nicht über den letzten Spieltag reden. Das Wetter zum Beispiel ist viel interessanter, schließlich hängt da das Monatssalär von uns Fischern dran. Auch müssten wir zusehen, dass wir die japanischen Atomkrebse in den Griff kriegen, die hier seit kurzem unheimlich (radio-) aktiv sind. Nicht dass der Fischkonsum wieder unterhalb der 20-kg-pro-Kopf-im-Jahr-Marke sinkt. Wäre schlecht für´s Portemonnaie.

A propos... das sind die Spiele von Okean auch. Neulich hab ich mir mal wieder eins angesehen, danach hatte ich außer dem Ticketpreis noch sehr hohe Folgekosten, wenn Du verstehst, Genosse. Und am nächsten Tag musste mein Sohn allein mit dem Kahn rausfahren... Ich sag´ Dir, bevor die nicht ´nen vernünftigen Trainer haben, geh´ ich da nicht mehr hin. Diese Westeuropäer versauen doch alles." - Jewgenij, 64, Fischer in 6. Generation

4 Punkte aus den ersten drei Spielen, das wünscht sich doch jeder Aufsteiger - und für Nachodka ist es Wirklichkeit geworden. "Der Sieg zum Auftakt war wichtig, die Niederlage gegen Spartak sowie der nur einfache Punktgewinn gegen Ufa hätten vermieden werden können. Letztlich wirft uns das aber nicht in unserer Euphorie zurück, unser Ziel ist ein Mittelfeldplatz, mit dem Abstieg wollen wir nichts zu tun bekommen", wird Trainer Wämser zitiert.

Und in der Tat scheint es, als würde das Leben in Nachodka weitergehen. Die Schornsteine rauchen, der Fisch wird verarbeitet, und das 4.500 Zuschauer fassende Wodnik-Stadion war bisher immer knapp unter ausverkauft - dieser Club ist tatsächlich eine Bereicherung für die Premjer Liga, ähnlich wie es Eddie the Eagle im Skisprung war. Tatsächlich soll der Trikot-Verkauf in den umliegenden asiatischen Ländern sprunghaft angestiegen sein, in China plant man wohl auch schon ein Plagiat den originalen Nachbau der Stadt, mit Schnellzuganschluss zum bereits kopierten nachgebauten österreichischen Dorf (SPON berichtete). Was dann wohl erst los sein wird, wenn man Überraschungsmeister wird? *Hust* *Röchel* *Stöhn* (Nach Redaktionsschluss verschwunden)

Es war ein typisch nass-windiger Sommer am Japanischen Meer, an dessen Küste mit Nachodka eine der östlichsten Großstädte Russlands liegt. Seit der Gebietsreform von 2004 trotzen hier 160.000 Einwohner jährlich den trockenen, kalten Wintern und den spätsommerlichen Taifunen.

Dementsprechend bat sich Wämser auch zunächst Bedenkzeit aus, als ihn die Offerte aus dem Russland des Torrausch-Paralleluniversums .net erreichte. Doch schließlich obsiegte die Neugier und das alte Kribbeln, und da die Karriere in Dundee (.com) ein jähes Ende nahm, packte der "Duke of Dundee" nach einem nass-kalten Sommer in Deutschland kurzerhand seine Koffer um die Oligarchenclubs in Mother Russia Mores zu lehren - oder es zumindest zu versuchen.

"Wir sind eben der kleine Pissverein, wir werden uns jeden Erfolg hart erarbeiten müssen", so Wämser kürzlich in der Prawda. "Bei uns werden die Unparteiischen nicht zu Schnittchen, Prosecco und Bunga Bunga Parties eingeladen, hier kommt in der Fabrikkantine ein deftiges Walsteak mit Gurke, Weißbrot und Wodka auf den Tisch." Zumindest mit der kulinarischen Arbeiterkultur scheint der Mitteleuropäer schon recht vertraut.

"Zu den Auswärtsspielen kommt man dann auch mal ein paar tausend Kilometer raus", weiß der neue Genosse Übungsleiter des Aufsteigers zu berichten.  Wahrscheinlich meint er raus aus diesem Moloch, in dem es nach Blut, Schweiß, Tränen und vor allem nach Fisch riecht. Das soll nicht despektierlich klingen, schließlich sind schon jede Menge andere (Ex-)Stars in Russland gestrand.. also reich, äh, natürlich glücklich geworden. Na dann: Auf die Gesundheit - na sdorowje!